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Kassem Taher Saleh

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Ein Dresdner von Welt

Stellen Sie sich vor, Sie kommen als Kind in ein Land, dessen Sprache und Geschichte Sie nicht kennen – und dessen Zukunft plötzlich Ihre wird. So begann meine Geschichte.

Als ich zehn Jahre alt war, floh meine kurdische Familie vor der Diktatur Saddam Husseins nach Deutschland. Wir landeten in einer alten Kaserne in Plauen – drei Zimmer, sechs Personen. Das war unser erstes Zuhause. Noch bevor ich Deutsch konnte, blätterte ich durch die „Vater und Sohn “ -Bilder von Erich Ohser in den Apothekenheftchen, während meine Mutter über die vollen Medikamentenregale staunte. Die Sprache lernte ich auf dem Bolzplatz, von hilfsbereiten Nachbarn und später in den Romanen von Erich Kästner. Wie Emil aus „Emil und die Detektive “ wollte ich mich in einer neuen Welt zurechtfinden – und fand dabei Verbündete. Von Plauen führte mich mein Weg nach Dresden. Hier studierte ich Bauingenieurwesen, arbeitete auf Baustellen und verbrachte meine Samstage im Rudolf-Harbig-Stadion. Dresden hat mich gelehrt, was Zusammenhalt bedeutet: sich gegenseitig zu unterstützen und Verantwortung zu übernehmen. Diese Werte prägen meine Arbeit als Bundestagsabgeordneter – und genau deshalb ist es mir wichtig, etwas zurückzugeben.

Für Sachsen

In meiner politischen Arbeit konnte ich wichtige Projekte für Dresden anstoßen: 2,4 Millionen Euro für das Fahrradparkhaus am Bahnhof Neustadt, 6 Millionen für die Technischen Sammlungen – Investitionen, die unsere schöne Landeshauptstadt lebenswerter machen. Solche Fortschritte motivieren mich, weiterzumachen. Sachsen hat das Potenzial, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Unsere Geschichte zeigt: Sachsen war schon immer ein Ort, der Neues wagt – vom ersten Dampfzug bis zum Silicon Saxony. Heute sind wir das Herzstück der europäischen Halbleiterindustrie, entwickeln Technologien, die weltweit gebraucht werden, und schaffen Arbeitsplätze, die uns unabhängiger von autokratischen Staaten machen. Aber auch im Handwerk sind wir führend. Doch vielfältige Potenzial müssen wir nutzen Und ja: Ich bin stolz darauf, dass auch guter Rap aus Sachsen kommt. Wir haben, was es braucht, um den Wandel zu gestalten – kulturelle Stärke, Innovationsgeist und Menschen, die etwas voranbringen wollen. Was wir brauchen, ist ein Miteinander, das Vielfalt als Stärke sieht und niemanden ausschließt.

Für nachhaltiges Bauen und bezahlbares Wohnen

Wohnen darf kein Luxus sein. Jeder Mensch verdient ein Zuhause, das Sicherheit und Perspektive bietet. Der Gebäudesektor ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch eine der größten Stellschrauben für den Klimaschutz: Rund 40 Prozent der CO₂-Emissionen und mehr als die Hälfte aller inländischen Ressourcen entfallen darauf. Mit dem Gebäudeenergiegesetz, das ich in dieser Legislatur verhandeln durfte, haben wir einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Aber das reicht nicht. Als Bauingenieur weiß ich, wie Städte und Dörfer so gestaltet werden können, dass sie lebenswert bleiben. Millionen Wohnungen könnten entstehen, wenn wir Gebäude umbauen, Flächen besser nutzen und nachhaltiger planen. Begrünte Dächer, aufgestockte Supermärkte und umgewandelte Büroflächen schaffen Wohnraum, schützen das Klima und steigern die Lebensqualität. Dresden und Sachsen können beispielhaft vorangehen: Klimaschutz und bezahlbares Wohnen sind kein Widerspruch. Die “Platte” in Dresden ist nur ein Beispiel.

Für eine wehrhafte Demokratie

Die Rücktritte u.a. von Marco Wanderwitz und Yvonne Magwas haben mich bewegt. Bei allen politischen Unterschieden gebührt ihrem mutigen Einsatz für ein AfD-Verbot größter Respekt. Ein solches Verbot wäre ein klares Signal: Rechtsextremismus, Hass und Demokratiefeindlichkeit haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Doch ein Verbot allein reicht nicht. Deutschland hat ein massives Problem mit Rechtsextremismus, der unser Zusammenleben bedroht. Wir müssen konsequent gegen rechte Gewalt vorgehen und Bildungsarbeit gegen jedwede Form des Extremismus stärken. Initiativen, die sich täglich gegen Hass einsetzen, brauchen finanzielle Sicherheit und rechtlichen Schutz. Trotz Drohungen lasse ich mich nicht einschüchtern. Während wir kürzlich im ganzen Freistaat unterwegs waren, um Plakate aufzuhängen, Flyer zu verteilen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, bleibt ein Gefühl von Unsicherheit nach der Landtagswahl. Darüber, wie die Rechten immer stärker werden, die Gesellschaft gespalten wird und sich auch viele Ehrenamtliche zurückziehen. Ich möchte dem etwas entgegensetzen.

Ein gutes Deutschland

Als erster Sachse mit Migrationsgeschichte im Bundestag möchte ich der Generation meiner Eltern zeigen, was wir geschafft haben und denjenigen, die nach mir kommen, den Weg bereiten. Ich wünsche mir, dass noch viele Kinder aus Arbeiter- und Einwandererfamilien erleben, im Deutschen Bundestag ihre Stimme für unsere Demokratie erheben zu können. „Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen “ , hat Navid Kermani einmal gesagt. Dieses Land ist nicht perfekt, aber es gibt uns die Freiheit, daran zu arbeiten, es besser zu machen. Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Deutschland bauen, an einer weltoffenen und solidarischen Gesellschaft.