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Kassem Taher Saleh

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Berührende Reise nach Kurdistan

Gemeinsam mit meinem Fraktionskollegen Max Lucks war ich vom 04.06 bis zum 12.06.2022 in der Region Kurdistan/Nordirak

Vor acht Jahren brachte der sogenannte Islamische Staat (Daesh/IS) große Teile des nördlichen Irak unter seine Kontrolle und ging dabei brutal gegen die Zivilbevölkerung und besonders gegen religiöse Minderheiten und politische Gegner*innen vor. Heute ist der Irak vollständig vom IS befreit. Dazu haben insbesondere die kurdischen Peschmerga beigetragen. Unsere Reise führte uns nach Erbil, Lalish und in die Provinz Dohuk. Wir trafen Vertreter:innen der Autonomieregierung und des Parlaments. Besonders eindrücklich war das Treffen mit Präsident Necîrvan Barzanî sowie mit Parlamentspräsidentin Raez Faeq (Patriotischen Union Kurdistans, PUK), Vize-Parlamentspräsident Hemn Hawramî (Demokratische Partei Kurdistans, KDP), Premierminister Masrour Barzanî (KDP) sowie Hoshyar Zebarî (KDP), ehemaliger Außenminister und Finanzministers des Irak. Immer wieder kam dabei das Gespräch auf die deutsche Unterstützung, u.a. in durch die Bundeswehr und durch die deutschen Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit.

Ein weiteres spannendes Treffen war der Austausch mit dem Erzbischof der chaldäisch-katholischen Erzeparchie Erbil Bashar Matti Warda. Seine christliche Gemeinde ist in Erbil lebendig und aktig, doch drohen islamistische und christenfeindliche Akteure in der unmittelbaren Nachbarschaft, wie beispielsweise die Hashd al-Shaabi-Milizen.

Ein Thema stand bei unseren Gesprächen immer wieder im Vordergrund: Die Klimakrise trifft die Region seit Jahren sehr stark. Langanhaltende Dürren, Sandstürme und Wasserknappheit sind eine enorme Herausforderung. Auch während unserer Reise trat ein starker Sandsturm auf. Es braucht dringend neue wirtschaftliche Projekte für die Region, um die Anpassung zu schaffen. Deutschland könnte hier ein wichtiger Partner werden, beispielsweise für den Ausbau des Schienennetzes. Auch erneuerbare Energien wären ein hilfreicher Beitrag für die Abkehr vom Öl. Die Sicherheitslage ist leider weiterhin nicht gut. Raketenangriffe von Seiten des Iran oder der Türkei und auch der immer noch punktuell präsente und teilweise wiedererstarkende IS bedrohen die Bevölkerung und verunsichern Investor:innen. Gewalt gegen Frauen nahm in den letzten Jahren leider zu, besonders auch die häusliche Gewalt.

Der Völkermord an den Jesid:innen ist weiterhin ein präsentes Thema. Besonders berührt hat mich deshalb der warmherzige Empfang des Prinzen und der Ehrenträgerin Daye Meyan des Hohen Rates der Jesid:innen in ihrem Heiligtum in Lalesh. Viele Frauen und Kinder sind noch verschwunden, versklavt, noch immer werden Massengräber entdeckt. Die Vertriebenen fristen in Lagern ein schwieriges Leben. Mir war es deshalb wichtig, ein solches Lager zu besuchen. In den Camps in der Region Dohuk leben ca. 350 000 Binnenvertriebene, im gesamten Irak circa 2 Millionen. Bei unserem Besuch im Quadiya Camp mit ca. 12 000 Personen trafen wir Menschen, die schon zum dritten Mal wieder vertrieben worden waren, u.a. durch Raketenangriffe oder durch Milizen. Doch auch die Situation in den Lagern ist nicht stabil, es fehlt oft an Trinkwasser und für die Schulbildung der Kinder gibt es nicht genug Personal. Die Bundesregierung unterstützt den Irak mit rund drei Milliarden Euro: 2 Mrd. aus dem Haushalt des Entwicklungsministeriums; 1 Mrd. aus der humanitären Hilfe des Auswärtigen Amtes. Damit werden viele tolle Projekte unterstützt, unter anderem das multiethnische und multireligiöse Projekt „Back to life“ der Organisation Hawar.help. Durch Angebote wie IT- und Nähkurse, Sport und Schulungen eigener unternehmerischer Tätigkeit wie der Verkauf selbst genähter Kleider, wird Frauen und Mädchen eine Perspektive gegeben. Denn Perspektivlosigkeit ist in den Camps allgegenwärtig.

Mit meiner Reise konnte ich wichtige Kontakte knüpfen, berührende Eindrücke sammeln und Potenziale für Zusammenarbeit und wirtschaftliche Investitionen ausloten. Ich bin dem Team des der deutschen Vertretung vor Ort sehr dankbar, dass sie diese Reise für uns organisiert haben.